Das Ende des 1. Weltkriegs: Überall sind die dramatischen Folgen des Kriegs zu spüren. Der junge Architekt Herman Sörgel hat eine Idee für Frieden in Europa. Aber die heißt nicht "Mehr Völkerverständigung" oder "Wandel durch Handel", sondern... "Hey Leute, wie wär's, wenn wir einfach mal das Mittelmeer trockenlegen". In der heutigen Folge geht es um eins der größten und verrücktesten Projekte der Architekturgeschichte: Atlantropa.

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Transkript der Folge

(dieses Transkript wurde automatisch generiert)

Christian Alt: Weißt du, was ich mir neulich gekauft habe? Oder jetzt gekauft habe?

Anna Bühler: Nee, sag.

Christian Alt: Also ich hab jetzt so einen ganz schönen Workshop gegeben und von der Kohle, diesen Workshop, hab ich mir was gegönnt. Und zwar einen richtig geilen Bürostuhl. Ich hab jetzt 1500 Euro ausgegeben für einen Bürostuhl.

Anna Bühler: Für dich zu Hause in deinem Homeoffice.

Christian Alt: Für mich zu Hause in meinem Homeoffice.

Anna Bühler: 1500 Euro kann man für einen Bürostuhl ausgeben?

Christian Alt: Oh ja. Für einen Herman Miller Bürostuhl.

Anna Bühler: Du sag mir nichts.

Christian Alt: Mit 12 Jahren Garantie.

Anna Bühler: Ist das aber so? ein Bürostuhl zum Zocken und so was? Oder ist das wirklich so zum Arbeiten und ergonomisch? Und was kann der noch?

Christian Alt: Ergonomisch.

Anna Bühler: Hat der eine Bluetooth-Box drin und ein Arschwärmer oder was?

Christian Alt: Was ist denn das? Der hat einfach nur, das Versprechen ist, du kriegst kein Kreuzweh. Das ist das Versprechen. Ich bin alt. Also man will auch einfach irgendwie. Das steht da.

Anna Bühler: Das heißt, es muss so sein. Okay.

Christian Alt: Genau.

Anna Bühler: Aber willst du nicht lieber so ein Gymnastikball nehmen? Der kostet 20 Euro. Und anscheinend gibt's auch kein Kreuzweh.

Christian Alt: Ich will 1500 Euro für einen fucking Stuhl ausgeben. Für diesen Bad Boy hier.

Anna Bühler: Der sieht einfach aus wie ein stinknormaler Bürostuhl. Oh mein Gott, Christian. Ja, überhaupt nicht alles, was im Internet steht.

Christian Alt: Von Kugel und Niere. Darwin gefällt das. Der History-Podcast über die Epic-Fails der Menschheitsgeschichte.

Anna Bühler: Aber nach jedem Sprung ist er wohl ein Stück mehr davon überzeugt, dass seine Idee sehr gut ist.

Christian Alt: Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Mit Anna Bühler und Christian Alt. Hier ist eine Tüte. Kannst du da mal bitte reinscheißen? Ich nehme die mit ins Labor.

Anna Bühler: Natürlich macht er das nicht. Er sagt, hier ist ein Glas.

Christian Alt: Heute der Typ, der das Mittelmeer trockenlegen wollte. Anna, ich erzähle dir heute die Geschichte eines einer verrückten Idee gigantischen Ausmaßes, die zum Glück für viele Menschen niemals Realität wurde. Nämlich ein Architekturprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, im Mittelmeer das Wasser abzulassen.

Anna Bühler: Aha, man muss ja nur den Stöpsel finden. Okay.

Christian Alt: Genau so. Atlantropa heißt das Projekt. Wie? Atlantropa.

Anna Bühler: Atlantropa, laudet.

Christian Alt: Genau. Und erfunden hat dieses Projekt Hermann Sörgel. Und um den geht es heute.

Anna Bühler: Das erinnert mich schon so ein bisschen an meine Vorstellung, als ich ungefähr sechs war von mir, dass es tatsächlich irgendwo, also dass es wie so Becken sind. Und da hat mal jemand Wasser reingetan. Und immer wenn es was abfließt, dann ist es auch weg, kommt nicht wieder. Also es klingt ein bisschen... So ungefähr ist das. Es klingt ein bisschen wie... Ja, ein Fünfjähriger hatte mal eine Idee und jetzt kommt die Story.

Christian Alt: Ja, genauso ist das.

Anna Bühler: Okay, ja, erzähl.

Christian Alt: Also stell dir vor, du kommst vom Ersten Weltkrieg nach Hause.

Anna Bühler: Ja, bin ich drin. Ich bin drin.

Christian Alt: Du tust alles weh. Granatsplitter, linke Po-Backe. Du hast so ein Pfeifen im linken Ohr. Das geht nicht mehr weg. Alles, was du jetzt eigentlich willst, ist irgendwie ein kühles Bier trinken und mit deinen Freundinnen und Freunden quatschen, die über auch überlebt haben. Du gehst so in deine Stammkranalp rein und da steht da so ein alter Kommuniturnut von dir, ein Typ, den du schon lange kennst. Du erzählst ihm, was hier alles so passiert ist. Ja, ich war jetzt im Krieg. Also diese Gaswolken, es war alles so furchtbar. Und was hast du so die letzten Jahre gemacht? Und dann sagt der Kommuniturnut zu dir, ja, also ich denke gerade super intensiv über neue Wege zur ästhetischen Betrachtung der Architektur nach. Und dieser Typ ist unser Protagonist, Hermann. Nein, okay, oh fuck. Wir haben alle so einen Hermann in unserem Leben, so ein Typ, der irgendwie so ein bisschen verkopft ist, ein bisschen verspult.

Anna Bühler: Wenn man sich immer fragt, wie macht er das von Jahr zu Jahr? Wie schafft er das irgendwie, sich durchzuboxen?

Christian Alt: Ja, das ist auch jemand, der sich einfach selbst überschätzt hat. Der wollte eben Atlantropa machen, was genau ist, erzähl ich gleich noch. Und er dachte halt, er ist so der, weiß ich nicht, der Farin-Urlaub der Architekturwelt, so der Elon Musk, der, keine Ahnung, also überdimensionierte Ideen mit einem Haufen Realitätsverlust hat er einfach...

Anna Bühler: Die Welt hat auf ihn gewartet, denkt er.

Christian Alt: Genau, und hat einfach ein bisschen wenig Empathie für andere Menschen. Genau, Hermann Sörgert wird am 2. April 1885 in Regensburg geboren. Und um seine Geschichte zu verstehen, muss man ein bisschen so seine Daddy-Issues kennen, so Daddy Sörgel. Er hieß Johann Ritter von Sörgel. Der bekommt 1901 einen Adelstitel verliehen, weil das war halt damals so. Wenn du irgendwie gut abgeliefert hast, dann kriegst du einen Adelstitel. Heute bringt man halt irgendwie so eine Flasche Weinleut, guten Freunden mit, damals halt so ein Adelstitel einfach. Und Johann Ritter von Sörgel war Chef der königlich-bayerischen Baubehörde und hat ganz viele Projekte in Bayern umgesetzt. Und eins, das seinen Sohn dann am meisten beeindruckt hat, war nämlich ein Kraftwerk. Du kennst das vielleicht sogar, das Weichensee-Kraftwerk.

Anna Bühler: Ah ja, also vom Vorbeifahren. Ja, genau.

Christian Alt: Es hat heute noch eine Leistung von 124 Megawatt. Ist das viel? Das ist so viel Strom. Wir haben das mal ausrichten lassen von der großen Redaktion. Das ist so viel Strom, dass du ununterbrochen 114 Jahre lang 24 Stunden am Tag staubsaugen kannst.

Anna Bühler: Richtig.

Christian Alt: Das ist schon viel Strom.

Anna Bühler: Das ist schon viel, also am Tag, was?

Christian Alt: 124 Megawatt. Ja, krass. Genau.

Anna Bühler: Und das hat der Vater von Sörgel gebaut. Der Ritter Sörgel.

Christian Alt: Ritter Sörgel hat das gebaut, ja. Das ist halt ein riesiges Bauprojekt und damals waren halt so mega stolz auf dieses Ding. Weil irgendwie Energie aus dem Nichts. Man hat irgendwas in der Natur gemacht. Geil, geil, geil, geil, geil. Und sein Sohn findet dieses Kraftwerk auch so geil, dass er auch Architekt werden will. Er studiert Architekt an der TU München. Von 1911 bis 1914 arbeitet er auch als Bauhandwerker in Bamberg. Das ist eher die praktische Seite seiner Ausbildung. Er merkt aber dann schnell, dass so diese, ich sag mal, die praktischen Dinge der Architektur ihn nicht so sehr interessieren. Er interessiert sich nämlich eher für Ästhetik, eher so Architekturtheorie. Er hat auch ein Buch geschrieben, Theorie der Baukunst, Erster Band, Architektur, Ästhetik.

Anna Bühler: So einer, der sich Gedanken macht.

Christian Alt: Ja, genau. Tatsächlich hat er aber auch ein paar gute Ideen. Er hat später sehr, sehr viele dumme Ideen, aber er hat auch ein paar gute Ideen. Weil er denkt halt drüber nach, wie Architektur auf den Menschen wirkt. Also, wenn ich jetzt ein Haus baue, was sollen dann Leute, die an dem Haus vorbeilaufen, fühlen? Finden die das cool? Also, sieht dieses Haus schön aus? Welche Wirkung hat das auf Menschen?

Anna Bühler: Ja, eigentlich gar nicht schlecht. Ich hab überhaupt keinen Zugang zur Architektur. Klar, irgendwie denke ich mir, auch ein schönes Haus, nicht so schönes Haus oder so. Oder wow, imposantes Tor oder so. Aber...

Christian Alt: Okay, ja.

Anna Bühler: Aber ich hab echt so, ich hab jetzt nicht so das Ding, dass ich Gefühle habe, wenn ich Architektur betrachte oder so. Du?

Christian Alt: Manchmal. Also, es gibt schon eher die gegenteilige Richtung. Zum Beispiel das Rathaus von Mainz, könnt ihr alle mal googeln, ist halt im Stil des Brutalismus gebaut. Und es ist das hässlichste Rathaus der Welt. Warte, ich kann dir das mal zeigen. Also, es ist wirklich brutal hässlich.

Anna Bühler: Und was sind deine Gefühle, wenn du da vorstehst?

Christian Alt: Ickl, abscheu, ähm... Bitte, warum kann ich nicht hier weg und so? Das ist das Rathaus von Mainz, kann ich mal zeigen.

Anna Bühler: Uh, ja, okay, das ist wirklich ugly.

Christian Alt: Das ist wirklich ugly as fuck einfach. Ja, okay. Aber irgendwie hat es dann auch wieder was.

Anna Bühler: Na ja, man, du sprichst anscheinend, also sprichst drüber. Das heißt, das hat es geschafft schon mal.

Christian Alt: Genau, aber Hermann Sörgeln macht sich damals Gedanken über Ästhetik und darüber, wie Architektur wirken kann. Leider zu einer völlig falschen Zeit. Die Leute haben irgendwie echt andere Probleme. Andere Probleme. Ja, okay, schönes Haus, ja, aber können wir jetzt bitte mal darauf achten, dass es erst mal steht so oder dass ich da leben kann.

Anna Bühler: Wäre cool, wenn ich einfach irgendwas hab, wo es warm ist.

Christian Alt: Genau. Das sind meine Gefühle gerade. Genau. Deswegen ist er auch so ein bisschen enttäuscht dann von seiner Zeit als Architekt und schreibt dann aber eben noch so viel in Zeitschriften über Architektur. Tatsächlich kommen dann aber die 20er-Jahren und dann so die Ideen, die so ein Hermann Sörgeln hat, könnten jetzt wieder en vogue sein, weil plötzlich geht es den Leuten besser so ein bisschen. Es ist auch die Zeit, wo echt viel crazy shit passiert in der Weimarer Republik, kulturell, so Dadaismus, Futurismus, Kupismus. Expressionismus. War, glaube ich, ein bisschen vorher. Na ja. Nee, dachte ich auch. Ich glaube, es ist vorher ein bisschen. Egal. Obwohl.

Anna Bühler: Die Blauen Reiter sind doch da.

Christian Alt: Expressionismus auch. Es sind alle da. Es wird einfach crazy. Und die Leute haben auch irgendwie Bock auf neue Ideen. Da ist jemand, der irgendwie Ideen hat, echt ganz interessant. Also Hermann Sörgeln gibt auch einen Magazin raus, das heißt Baukunst. Das ist ein Vorreitermagazin für ganz viele Leute, damals, die sich wirklich mit Ästhetik und Architektur auskennen. Und inspiriert dann auch irgendwie Bauhaus und so.

Anna Bühler: Ich wollte gerade sagen, Bauhaus müsste doch ungefähr in der selben Zeit irgendwie gerade als Bewegung starten. Genau.

Christian Alt: Und all diese Sachen führen halt dazu, dass er eigentlich in diesen Kreisen ein ziemlich sexy Motherfucker wird. Hermann Sörgeln findet dann auch eine Frau, Irene heißt sie, und die denkt halt, boah, ey, so ein Selbstbewusstsein, so ein Charisma, so ein pazifistischer Ideale und so ein super trendy Monocle heißer, heißer Fuckboy. Den hole ich mir jetzt mal. Und zusammen machen die beiden dann auch eine große Reise tatsächlich, um irgendwie dieses moderne Leben noch ein bisschen mehr auszuleben. Und Hermann fährt vom superspießigen Deutschland, wo er halt so eine Handvoll von Leuten findet, die ihn interessieren, nach New York. Wow.

Anna Bühler: Mit dem Schiff.

Christian Alt: Mit dem Schiff, ja.

Anna Bühler: Mit dem Schiff fährt er, Hermann.

Christian Alt: Das ist ein Mekka der Architekten. Und New York City ist halt so...

Anna Bühler: Ist es so, dass die USA damals so architektonisch dann so Maß geben? Ja.

Christian Alt: Weil damals so die liebenden Wolkenkratzerbuben, das Chrysler Building, Empire State Building, sind gerade alle in Planung. Und so alle wollen irgendwie nach New York City, ne? Also er ist dann so, auf dem Damm verstehe ich mir das vor, im New Yorker Hafen läuft er dann ein, und dann fährt er aus einer Freiheitsstätte vorbei und denkt sich so, what a lady, du.

Anna Bühler: Richtig pippen in die Hose, die war jedem von Bautz.

Christian Alt: Ja, ja. Dann kauft er sich ein Hotdog, läuft so durch die Straßenschluchten und einfach so, New York. Und er kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. So. Er trifft dabei auch in dieser Zeit Leute, die ihm auch einfach auf die Schulter klopfen und sagen, oh my God, Harry, what an amazing idea. So, yes, that's so crazy. So, und die immer einfach sagen, du musst hier noch viel, viel stärker in dein Ästhetik, denk einfach alles nur mal größer. Deine Ideen sind schön und gut, aber nimm sie und mach sie jetzt größer. Wir brauchen jetzt diesen amerikanischen Spirit von höher, schneller, weiter, jetzt auch in Europa. Und Hermann fährt dann nach Hause und denkt sich so, ich mach jetzt das größte Ding aller Zeiten. Ich leg das Mittelmeer trocken. So, also. Oh du Idiot, so war das nicht gemeint. Harry. Genau, also er fängt dann irgendwie an, so große Ideen zu entwickeln. Leider. Und es geht ja um die große Idee Atlantropa.

Anna Bühler: Hätte er nicht irgendwie erst mal ein großes Haus bauen können oder so? Ah, okay, alles klar, Harry, do your thing, mach einfach.

Christian Alt: Also generell ist es in dem 20er-Jahr total interessant, weil auch super viel rausgefunden wurde, damals auch wirklich an ernsthaften geologischen Forschungen, wie unsere Welt entstanden ist. Da gab es auch die Vorläufer von so Platten-Tektonik, also so eine Idee wie Pangaea zum Beispiel, dass unsere Kontinente heute eigentlich alle mal vor Millionen von Jahren zusammengehört haben und dann eben auseinandergebrochen sind. Das war halt damals so noch nicht mal erfunden. Ach krass. Die Leute wussten nichts eigentlich über die Erde. Und damals hat es erst angefangen, dass man sich damit auseinandergesetzt hat, hey, wo kommt das Mittelmeer eigentlich her?

Anna Bühler: Oder Berge?

Christian Alt: Wo kommt das her? Es gibt so einen Typ, Otto Jessen heißt der, und dieser Otto Jessen schreibt halt ein mega populäres Buch, wo er sagt, hier ist Mittelmeer, es ist eigentlich kein wirkliches Meer, sondern damals, vor 50.000 Jahren ist das erst entstanden, und es war eigentlich so ein Tal, und dann waren halt die Gletscher von den Alpen und so, die sind dann abgeschmolzen und haben dann noch eine Schneise über die Peraltar geschlossen, und dann kam es halt erst, dass dieses Meer sich gebildet hat. Und dann kriegt Hermann Sörgel eine Idee, weil er denkt dann so, Moment, du willst mir sagen, dass das Mittelmeer eigentlich so was ist wie ein See? Du willst mir eigentlich sagen, dass man da auch, wenn das einmal reingelaufen ist, das auch wieder stoppen könnte? Und du willst mir sagen, dass man eigentlich ein fettes Kraftwerk bauen könnte, wenn man irgendwie das Mittelmeer stoppt an der Grenze von die Peraltar? Oh Gott. Jetzt denkt einem gerade eine Karte vom Mittelmeer. Du hast Italien, da ist es da, dann geht es über Kroatien, Spanien, und dann hast du halt die Meeresenge von Peraltar, und da hat er sich halt gedacht, wenn wir da irgendwie so eine Wand hinstellen, trocknet der Rest aus einfach. Und wir können es dann genau steuern, wie viel Mittelmeer wir da noch haben wollen.

Anna Bühler: Sprich mal bitte die Meeresenge von Peraltar in Kilometern, um sich vorzustellen, wie lang hätte diese Mauer sein sollen, von der da spricht die Erinnerung in den 20er-Bau. Ein 35 Kilometer langer Wall von Spanien bis nach Marokko.

Christian Alt: Auf dem Meeresgrund wäre der 2,5 Kilometer breit und ganz oben die Krone-Distanz wären allein schon 300 Meter, damit das alles umgehält.

Anna Bühler: Das ist alles aus Beton wahrscheinlich?

Christian Alt: Alles aus Beton. Aber genau, da kommen wir gleich zu, wie realistisch das eigentlich ist.

Anna Bühler: Aber dream big! Dream big! Okay, das muss man eben lassen, die Idee ist big.

Christian Alt: Genau, also ich sag nochmal irgendwie, damit man sich ein bisschen vorstellen kann, stell dir vor, du liegst in einem schönen heißen Schaumbad, so ganz wie fluffigen, tollen Schaum und so exotischen Düften. Ich hab neulich bei Lush einen CBD-Bad bestellt. Zum Relaxen.

Anna Bühler: Ja, zum Relaxen.

Christian Alt: Zum Chillaxen eigentlich. Das ist eigentlich geil, stell dir vor, du liegst da so drin. Dann gibt's so verschiedene Liegeflächen und Wassersträde, den Rücken massieren und so. Diese Badewanne ist das Mittelmeer. Und du musst halt erstens den Wasserhahn abdrehen und zweitens den Stöpsel aus der Wand ziehen. Also, du musst alle Zuläufe abdrehen, das ist das, was ich eben gesagt hab. Du brauchst eben diesen riesigen Wall, 35 Kilometer von Spanien nach Marokko. Und Herrmann fängt dann an, das auszuweichen, und dann meinte er so, wie lang brauchen wir dafür eigentlich? Also ich glaube, eine Million Arbeitskräfte können das in 10 Jahren hinkriegen. Dann muss er aber noch den Stöpsel ziehen. Dieser Stöpsel, Surprise, zieht sich ein bisschen automatisch. Weil wenn ohne die Zuflüsse verdampft halt ganz viel von diesem Wasser und kondensiert, dann geht das automatisch weg. Du hast halt, der mediterrane Meeresspiegel fällt um 100 bis 200 Meter. So was. Stell dir vor, du liegst am Strand in, keine Ahnung, in... Mallorca. Mallorca, genau. Mallorca am Strand, so heute. Nehmen wir an, der Plan von Hermann Sörgel hätte stattgefunden, wir hätten jetzt einen Wall gebaut und hätten irgendwie den Meeresspiegel gesenkt, dann würdest du 200 Meter noch weiter nach unten schauen, und da wär's das Meer.

Anna Bühler: Mallorca wäre halt einfach doppelt so breit.

Christian Alt: Du würdest auf einem Berg eigentlich sitzen, statt auf einem Strand. So wär das. Genau. Also er hat sich halt gedacht, okay, diesen Wall zu bauen, das dauert irgendwie 10 Jahre, und diese ganze Absenkung ist ein Werk von 150 Jahren. Tatsächlich kommt aber dieser ganze Gedanke aus einem merkwürdigen Verständnis vom Pazifismus, der sicher gedacht hat, okay, wir bauen alle gemeinsam an diesem großen Projekt, also Spanien und Italien und Kroatien und irgendwie Marokko, was mit Afrika auf sich hat, kann ich später noch Dinge sagen, weil ist natürlich alles damals Kolonialzeit, also eigentlich musst du direkt verhandeln mit den Engländern oder so. Also wir arbeiten alle zusammen an so einem großen Projekt, wir machen jede Menge Energie, das bekomme ich gleich auch noch, und das sorgt für Frieden. Okay. Wenn wir alle an dem gleichen Ding arbeiten für die nächsten 150 Jahre, sorgt das für Frieden. Ja. So, zwischen den Ländern.

Anna Bühler: Ähm, kommst du gleich noch dazu, dass die Ressource mehr sozusagen für viele Länder das Wichtigste ist und dass das genommen wird, dass es ein Frieden einfällt?

Christian Alt: Ja, das klingt ja gar nicht, Lizien, du. Okay. Also dass der ganze Wirtschaftszweig irgendwie seit Tausenden von Jahren von Fischfangen abhängig ist, da ist es egal.

Anna Bühler: Egal.

Christian Alt: Die können ja immer noch Fische fangen, halt 200 Meter weiter.

Anna Bühler: Oder im Fluss, da haben die doch bestimmt irgendwo einen Fluss. Okay.

Christian Alt: An die Natur hat natürlich niemand gedacht damals. Erstmal so...

Anna Bühler: Das eh nicht, aber auch wenn man dann wenigstens nicht an die Natur denkt, dann an die Menschen, die von der Natur abhängig sind. Ja, da hat auch niemand dran gedacht.

Christian Alt: Also woran man aber gedacht hat ist, wie viel Energie kann ich daraus ziehen? Also, Hermann Sörke rechnet aus, dass man mit diesem Mittelmeerkraftwerk eine Leistung von 110.000 Megawatt generieren kann. zum Vergleich, so ein mittleres Atomkraftwerk leistet etwa nur 1400 Megawatt. Krass, das ist hundertfache, zehnfache. Also 100 oder 80 oder so, ich hab's nicht genau, 80 Atomkraftwerke kannst du damit ersetzen. Also wäre heute auch klimawandeltechnisch für euch gar nicht so dumm. Ja. Also, wäre schon dumm. Doch dumm.

Anna Bühler: Wäre schon dumm.

Christian Alt: Doch dumm. Genau. Also dafür kannst du eben 100.000 Jahre lang Tag und Nacht staubsaugen.

Anna Bühler: Also, genau, damals hatte man ja keine Staubsauger, nicht nur das, sondern wahrscheinlich hatte man auch keine Energiespeicher. Also wofür, dachte er, braucht man das?

Christian Alt: Ja, für Energie halt.

Anna Bühler: Ja, aber was? Was war damals? Für Energie! Naja. Das ist doch geil, Energie zu haben, kann man schon mal machen. Macht voll Sinn.

Christian Alt: Und es hat auch andere Vorteile tatsächlich. Ja, wenn der Meeresspiegel jetzt so absinkt, hast du plötzlich eine Landbrücke zwischen Tunesien und Sizilien, weil da ist es relativ dünn. So, wenn da so, plötzlich hast du auch einen neuen Superkontinent aus Europa und Afrika. Das ist plötzlich alles eins. Man hat eigentlich so einen großen See nur noch in der Mitte. Oh Gott, ja, okay. Ja, ist doch geil, alles. Ist doch alles geil, Anna. Ja, doch ist alles geil. Du weißt gar nicht, was du alles hast. Nee. Ja.

Anna Bühler: Nix hab ich.

Christian Alt: Und wir haben das damals eine Zeit genossen. So stell dir vor, Hermann Sörgel sitzt dann eben Wochen, Monate lang in seinem Camerlion.

Anna Bühler: Schreibt einen Businessplan.

Christian Alt: So wie bei Beautiful Minds schreibt er irgendwie mit an die, an die, an das Famestar. Mit Kreide, alles voll.

Anna Bühler: Ja, genau.

Christian Alt: Alles voll und rechnet alles aus.

Anna Bühler: Und dann hat er irgendwie so ganz viele mathematische Formeln und dann so, das brauch ich ja gar nicht. Also, jetzt schreib ich mal hier die Idee mal auf und dann, wem präsentiert er die überhaupt? Also, wer sollte daran interessiert sein?

Christian Alt: Seinen Architekturbuddies. Ja, und dann? Und wie fanden die das? Dumm. Jetzt möchte ich gerne jemanden vorstellen und zwar Architekturhistoriker Dr. Wolfgang Vogt. Der war lange Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt und hat auch ein Buch über Atlantropa geschrieben. Und der sagt uns jetzt, wie seine Buddies das fanden. Okay.

Speaker 2: Ja, also Sörgels primäres Publikum waren erstmal die deutschen Leser von Zeitungen und Zeitschriften. Und da war das der absolute Knüller.

Anna Bühler: Okay, ihr konntet natürlich jetzt nicht sehen, wie ich reagiert habe, aber was war so wie dieses Dramatik Chipmunk? Hä?

Christian Alt: Warte mal, damit hab ich nicht gerechnet.

Anna Bühler: Die fanden das alle geil. Wie hat er das denn schmackhaft gemacht?

Christian Alt: Na, also du machst es denen natürlich schmackhaft, solchen Architekten, denen du sagst, pass mal auf. Ich schnipps jetzt mit dem Finger, dann legen wir das Mittelmeer trocken und plötzlich habt ihr unglaublich viel Platz, alle eure Projekte, von denen ihr jemals geträumt habt. Du kannst ganze Städte einfach neu denken und ans Meer setzen. Du kannst einfach alles verändern. Und dann hast du plötzlich Raum. Lebensraum war halt damals, kommen wir später noch zu, bei den Nazis, war halt damals auch so ein Ding. Also irgendwie die Bevölkerung explodiert und wohin kann man sich noch ausbreiten und plötzlich eine unglaubliche Menge Land dazu zu gewinnen, war halt krass. Eine krasse Idee. Hat wirklich echt viele Unterstützer, relativ schnell, also darunter auch berühmte Architekten wie Le Corbusier, Erich Mendelsohn, Peter Behrens. Architektur-Meisterklassen unterstützen ihn, die planen mit, die berechnen. Und es ist halt eine riesige Motivation, dass du einfach Dinge auf dem Reißbrett neu entwickeln könntest. Du denkst, es wäre halt so, als würdest du sagen, du kannst alles neu machen. Also so unbegrenzte Möglichkeiten einfach, wie in den USA. Leider kosten natürlich solche Utopien Geld, so viel, viel Geld.

Anna Bühler: Was hast du gesagt, eine Million Leute auf zehn Jahre?

Christian Alt: Genau, Arbeit, Arbeiter. Und damals sind schon die Nazis dann an der Macht, also da mit diesem Plan um die Ecke gekommen, in den 30er Jahren. Und Hermann Sörke geht dann zu den Nazis so, hey, du, ich will Neuland. Du, Nazis.

Anna Bühler: Ihr wollt Neuland.

Christian Alt: Kommen wir denn nicht irgendwie zusammen? Wir wollen alle ein neues Land, so. Und mit einem besonders bitchy Move, also man ist auch nicht verwundert, weil die Nazis sind einfach mega bitchy, anten wir auch dann die Nazis mit einem ganzen Film, warum sie keinen Bock haben. Was? Ja, und da hören wir jetzt einen Ausschnitt.

Anna Bühler: Was sind die Folgen, die das Projekt haben könnte? Was sagt die Erde dazu? Sind die Nazis die Klimaschützer in dieser Geschichte?

Christian Alt: Aus natürlich anderen Gründen. Und du weißt, ich hasse es sehr, dass ich jetzt die Nazis recht geben muss. Ja, das sind die Guten hier, oder? Die Nazis sind die Guten in der Geschichte. Da ganz kurz.

Anna Bühler: Aber das packt mein Gehirn gerade nicht.

Christian Alt: Die Nazis fragen so, was sind die Folgen, was ist mit der Erde, was sind viele andere Millionen Konsequenzen, die das haben könnte?

Anna Bühler: Das hätten Sie sich bei Ihren eigenen Ideen auch mal fragen sollen. Und Dr.

Christian Alt: Vogt, hilft uns jetzt das mal so ein bisschen einzuordnen?

Speaker 2: Also fangen wir mal mit technischen Problemen an. Die Gibraltar-Baustelle hätte ungeheure Dimensionen gehabt. Die ist ja 13 Kilometer breit etwa. Und wenn Sie da einen Damm ins Meer setzen wollen, der an der Dammkrone 300 Meter breit wäre, das hat Sörgels sich schon vorgestellt als Sicherheitsdurchmesser. Und dann wie bei einem Deich an der Nordseeküste mit so flachen Abhängen in beide Richtungen, da müssen Sie ganz enorm viel Masse an Sand und Steinen bewegen. Sie müssen dafür praktisch ein Gebirge abtragen in Spanien oder in Marokko.

Anna Bühler: Okay, wir tragen die Alpen da unten hin, oder was? Du musst ein Gebirge abtragen. Ja, klar. Du kannst ja nicht sagen, wir bauen diesen Wallen aus mehreren Steinen. Ich mache jetzt mal den ersten Reihenplansch. Okay, wir brauchen noch einen.

Christian Alt: Leute, bringt mir den zweiten Stein. Du machst einfach so eine Menschenkette, einmal durch ganz Europa. Platz, platz, platz, platz.

Anna Bühler: Die geben dann so einzelne Stücke. Ja, aber echt, ich frage mich, wie das gehen soll. Die haben ja auch nicht...

Christian Alt: Ja, es hat einen Theoretiker. Er fand sein Praxisseminar ja auch ein bisschen scheiße. Oh Gott. Genau. Und die Frage ist ja nicht nur, wie macht man das, sondern auch, wir sollen eigentlich die ganze Arbeit machen.

Anna Bühler: Wer soll das zahlen?

Christian Alt: Wer soll das zahlen?

Anna Bühler: Aber die Nazis sollten es zahlen.

Christian Alt: Aber wie viele Bauarbeiter brauchst du? Auch da hat Herr Vogt einen Ton.

Speaker 2: Man hätte, das war damals die Vorstellung, 100.000 von Bauarbeitern gebraucht. Und stellen sich mal vor, die jeden Tag auf die Baustelle zu befördern und zurück. Na ja, also das ist kühn gedacht gewesen. Ja, da denkt man natürlich nicht dran.

Christian Alt: Aber klar, das sind Menschen, die brauchen Essen, die brauchen Unterkunft, die brauchen Verpflegung, die brauchen fucking Dixiklos. Und ich weiß nicht, wie oft du schon bei Rock am Ring oder so warst. Diese Dixiklosituation aus solchen Menschenmassen. Das ist ja scheiße. So, da hört einfach die Freundschaft auf. Und es ist total einfach ein logistisches Problem, das überhaupt zu schaffen. So, das ist erstmal das. Also, ich fasse nochmal zusammen. Es ist nicht nur, muss man ganze Gebirge abtragen, sondern man braucht nicht nur 100.000 Arbeiter, die das machen. Übrigens auch da, wer sind denn eigentlich diese Leute? Kommen die vielleicht sogar aus den Kolonialgebieten in Afrika? Welche Bedingungen haben diese Leute? Auch das ist ein Problem. Das war wahrscheinlich das heutige Text, wo man denkt, slightly problematic.

Anna Bühler: Auch dass Nummer eins Ressourcen ihre eigenen Länder zerstören müssen, weil so ein Deutscher irgendwie ein Denkmal setzen will und Dream big und so.

Christian Alt: Genau, das ist nämlich das nächste. Dann müssen natürlich alle mit an Bord sein. Also alle, die irgendwo einen Mittelmeerzugang haben, müssen mit an Bord sein. Und auch da hat Herr Vogt uns erklärt, dass es gar nicht so einfach ist, die alle an Bord zu kriegen.

Speaker 2: Also, es müssten alle Anrainer, Nationen des Mittelmeers einverstanden sein und mitmachen. Es ist ja auch heute so, dass auch wenn Sie an die Bemühungen um die Erderwärmung und Rettung des Klimas und all das denken, es ja kaum möglich ist, wirklich eine klare einheitliche Allianz aller Mächte zustande zu bringen. Das sehen wir, dass das heute auch schwierig bis unmöglich ist.

Anna Bühler: Ja, also ich sag mal, das Projekt Europa war jetzt auch nicht unbedingt leicht. Und bis heute gibt es Leute, die denken, keine tolle Idee.

Christian Alt: Aber man kann immer noch aussteigen aus Europa, auch wenn es echt hart ist. Wir reden mal mit Brexit. Aber steig mal aus, wenn du irgendwann mal den Mittelmeer trockengelegt hast.

Anna Bühler: Oder wenn du auf halben Wege, doch nicht. Find ich doch doof. Genau.

Christian Alt: Und vor allen Dingen Klima ist echt ein gutes Stichwort auch. Wäre definitiv für das Klima eine Katastrophe gewesen, Atlantropa. Habt man heute eben berechnet. Also, dass allein durch die Austrocknung des Mittelmeers sich der weltweite Meeresspiegel um einen Meter erhöht hätte. Also in allen anderen Ländern. Ach krass. Weil es ja nirgendwo hinfließend, da wird ja gestaut, der Rückstau vom Mittelmeer.

Anna Bühler: Das würde dann bedeuten, dass wahrscheinlich die Küste von Frankreich zum Beispiel, zum Teil ist da die Häuser dann weg.

Christian Alt: Genau. Oder Niederlande, wenn ... Niederlande weg. Genau, weg.

Anna Bühler: Niederland weg. Großbritannien nur noch halb so groß. Genau.

Christian Alt: Nur noch Britannien. Oder halb so Großbritannien.

Anna Bühler: Mittelgroßbritannien.

Christian Alt: Genau. Und wahrscheinlich hätte es auch starke Auswirkungen auf den Golfstrom gehabt. Die sehen wir auch heute, dass die Golfstrompumpe ein bisschen zum Erliegen kommt, durch den Klimawandel. Krass. Das hätten wir alles schon viel früher gehabt, hätten wir Atlantropa gemacht. Und dann ist es ja auch so. Also man kommt gar nicht mehr aus dem Aufzählen raus, was für dumme Gründe dagegen sprechen.

Anna Bühler: Also deswegen schockiert mich das, dass es anscheinend so viele Leute gab, und auch schlaue Leute dabei, die es für gut gehalten haben. Ja. Die dachten, ja klar.

Christian Alt: Es hätte aber auch ... Genau. Das ist halt das Ding. Es ist sehr aus europäischer Perspektive gedacht. Also im Mitteleuropa wäre es vielleicht in Europa gewesen. Und dann eben bis runter nach Norditalien oder so. Aber je weiter du in den Süden kommst, desto trockener wird es dann. Also ganz viele arabische Länder wären wahrscheinlich auch unter Wasser gewesen. Genau. Du hättest Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten und Palästina nie dauernd dürregezwungen dadurch. Und zu dem Zeitpunkt waren die alle noch Kolongalstaaten, habe ich ja gesagt. Also man hätte praktisch eigentlich über die Zukunft dieser Länder verfügt. Ja. Ja, ihr seid jetzt trocken. Ja. We don't care, ob ihr eure Leute ernähren könnt. Das ist uns sehr egal. Krass, krass, krass, krass. Es ist halt sehr, sehr kolonialistisch gedacht. Und in der Broschüre, die Serga geschrieben hat, um Investoren zu gewinnen, steht zum Beispiel auch drin ...

Anna Bühler: Ach, wir können nichts vor unserer Tür. Es bietet nahezu alles, was uns in Europa fehlt. Große, nur dünn besiedelte Räume, riesige Rohstofflager, Nahrungs- und Bodenschätze. Das alles will entwickelt sein. Ich glaube, das Schwein. Ja.

Christian Alt: Und es ist halt natürlich auch die Frage, die bei mir die ganze Zeit im Hinterkopf war. So die Nazis? Warum sind die Nazis eigentlich dagegen?

Anna Bühler: Dagegen, ja. Gute Frage.

Christian Alt: Das Ding ist, Atlantropa kannst du nur bauen, wenn du kooperierst mit allen. Und das ist halt so. das Ding, was die Nazis nicht wollen. Das ist halt so ungefähr das Gegenteil von totaler Krieg.

Anna Bühler: Sie wollen sich nicht ins Boot setzen mit ... Wahrscheinlich waren die Kolonien ja Briten und Franzosen hauptsächlich, oder? Ja, ja, genau. Und das heißt, dann hätten sie ... genau. Das ist halt ein diplomatisches Projekt.

Christian Alt: Das ist nicht so dein Ding.

Anna Bühler: Das ist nicht so. Das ist nicht so nazimäßig.

Christian Alt: Und die Nazis so, den Lebensraum kriegen wir auch woanders her. Also ich hab da schon einen ganz anderen Plan, du.

Anna Bühler: Und zwar ohne, dass wir mit denen zusammenarbeiten müssen.

Christian Alt: Genau, genau. Es gibt natürlich, also wie gesagt, ich komm nicht mehr aus dem Aufzählen, wieso das eine dumme Idee ist. Natürlich ist so ein Damm auch anfällig für Fehler. Und du kannst den theoretisch natürlich auch sprengen. Stell dir vor, es kommt wirklich zu einem Krieg in 100 Jahre später. Du hast diesen Damm gebaut.

Anna Bühler: Und dann ist Europa mal schnell eine Welle drüber. Genau.

Christian Alt: Zack. Ja, weg. So, Millionen Menschen tot. Und so weiter und so fort. Also du hast eben schon auch gesagt, ganze Produktionsketten wie Wirtschaften aufgebaut sind. Griechenland ist heute noch eine stark vom Fischschwangen abhängige Nation. Alles egal.

Anna Bühler: Genau.

Christian Alt: Damals war es halt so, es war trotzdem irgendwie eine sehr verführerische Idee, die Hermann Sörgel da hatte. Für eine Zeit, nämlich. es war eine Zeit, die irgendwie sehr große Ängste auch hervorgebracht hat. Also ganz Europa hat sich umsortiert. Die einen wurden faschistisch, die anderen wurden sozialistisch oder kommunistisch und so. Irgendwie hat man eben gesucht, was kann so eine Gesellschaft auch zusammenhalten. Und ganz viele Leute hatten natürlich berechtigterweise auch Angst vor einem Krieg. Und fanden deswegen auch sein Projekt eigentlich ganz gut, weil es Leute zur Kooperation zwingt.

Speaker 2: Das wusste man ja, dass es einen weiteren Weltkrieg geben könnte, der noch viel schlimmer wäre. Das hat ihn nicht verhindert, dieses Projekt, aber es wollte ihn verhindern. Mit einer Idee, die eben die europäischen Mächte praktisch auf ewig zur Zusammenarbeit gezwungen hätte. Und diese pazifistische Gehalteidee ist interessant und den darf man wertschätzen.

Anna Bühler: Ja, ist er interessant oder ist er erst besonders verkorkst? Weil es klingt für mich so, keep your friends close, but enemies closer. Ja, genau. Also Hauptsache, die Leute, die dir mal gefährlich werden könnten, zu kontrollieren. Ja, genau. Und das ist ja nicht ehrbar, sondern eigentlich eher komplett krank.

Christian Alt: Ja, vor allen Dingen ist es halt auch so, die EU ist ja erfolgreich, weil irgendwie alle davon profitieren. Aber die gab es ja noch nicht.

Anna Bühler: Genau, aber heutzutage.

Christian Alt: Also es ist ja eine Weiterentwicklung von diesen Kooperationsgedanken und von irgendwie, wir wollen alle Frieden sichern, indem wir uns gegenseitig abhängig machen.

Anna Bühler: Oder so, ja.

Christian Alt: Und das ist es halt alles irgendwie nicht.

Anna Bühler: Ja, das hätte man auch anders machen können.

Christian Alt: Ohne das Mittelmeer auszuprobben zum Beispiel. Also, dass die Idee jetzt nicht Füße gewonnen hat, ist irgendwie auch klar. Er hat es trotzdem probiert, der Hermann Sörgel. Er gründet während des Dritten Reiches noch das sogenannte Atlantropa-Institut, mit dem Geld gewonnen werden sollte für seine Idee. Und er bekommt allerdings schon ein Nazis-Publikationsverbot. Dann bricht das schon der Weltkrieg aus, den er eigentlich verhindern wollte. 1951, also sechs Jahre nach Kriegsende, stirbt Hermann Sörgel. Und damit eben auch der Hauptmotor für Atlantropa.

Anna Bühler: Gibt es Abhandlungen darüber, ob Atlantropa den Weltkrieg hätte verhindern können?

Christian Alt: Oh, das weiß ich nicht. Ich glaube, das ist wahrscheinlich eher so ein frommer Wunsch von allen, die an dieses Projekt geglaubt haben. Es ist halt so ein Ding, glaube ich, das Leute zum Träumen einlädt und zum, hey, eine andere Welt wäre möglich. Deswegen hat die Idee auch noch mal in den 50er-Jahren einen kleinen Boom, als man eh irgendwie, das hast du auch in den USA, also alle träumen sich irgendwie in die Zukunft, weil die große Krise ist überwunden und ist eigentlich, okay, what's next? Und dann kommt noch mal Atlantropa irgendwie auf als Möglichkeit, wie man vielleicht eine Zukunft gestalten könnte. Es gibt ja auch utopische Stadtplanung. Also Brasilia, die Hauptstadt von Brasilien, ist ja auch einfach so geplant worden und mitten in den Dschungel reingepflanzt worden. Also, dass der menschliche Wille irgendwie in die Natur auch zurückdrängen kann, das hat man damals eben ganz stark auch gespürt. Und da so, ja, warum nicht? Vielleicht machen wir es noch mal. Die Alliierten sind tatsächlich auch mal ganz kurz für so eine Hot Second interessiert an Atlantropa, weil sie dachten, okay, vielleicht können wir damit irgendwie den Sowjets Afrika wegschnappen und haben ein gigantisches Kraftwerk, aber dann irgendwie dann halt doch nicht, weil es ist doch schon dumm. Es ist schon dumm. Es ist schon dumm, vor allen Dingen, weil auch diese Kraftwerksidee stirbt, nachdem man dann Atomkraftwerke hatte in den 50er-Jahren. Ah, ja klar. Genau, die kommen dann auf und plötzlich hast du die Möglichkeit, ah, okay, ich habe woanders Energie halt zaubern aus den Atomen, das ist ja, aus den Atomen ist eh viel futuristischer und geiler. Komm, lass das mal machen. So, damit ist die Idee tot. Aber ja, Atlantropa hat die schlausten Menschen irgendwie damals schon beschäftigt. Und irgendwie war es mal eine Vision, die ein Mensch hatte, einfach mal think big, aber es war auch schon sehr dumm.

Anna Bühler: Was mir an der Geschichte sehr gut gefällt, ist, dass sie wirklich, also diese dicken Checkboxen, die eine darin gefällt, das Geschichte braucht, einfach so dunkelgrün abhakt, diese so wirklich sehr dumme Idee, aber sowas von dran festhalten. Also das ist echt geil. Das ist also...

Christian Alt: Also er hat bis zum Schluss dran geglaubt. Jaja. Und hat auch so, ich mag auch seine Motivation, weil er immer so denkt, aber das ist gut für den Frieden.

Anna Bühler: Ja, das ist ein bisschen cute, aber...

Christian Alt: Bisschen cute, aber auch ein bisschen dumm.

Anna Bühler: Kann man nicht anders sagen.

Christian Alt: Das war die Geschichte von Hermann Sörgel, der das Mittelmeer trockenlegen wollte. Da vingefällt das ist eine Produktion von Kugel und Ire mit Anna Bühler und Christian Alt.